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Zeigen und Sagen

Avatar of Michael Huter Michael Huter - 01. Februar 2017 - Literatur

Staniszewski, Mary Ann (1998): The Power of Display. A History of Exhibition Installations at the Museum of Modern Art. Cambridge (MA) und London: The MIT Press

Die Kunsthistorikerin Mary Ann Staniszewski erzählt die Geschichte, wie in Amerika die Ausstellung moderner Kunst erfunden wurde. Die Erfinder mussten dabei aber nicht bei Null anfangen – sie konnten an aktuelle Experimente in Europa anknüpfen. Auf mehreren Reisen lernten etwa der Gründungsdirektor des Museum of Modern Art in New York Alfred H. Barr und der Architekt und Kurator Philipp Johnson in den 20er und frühen 30er Jahren neue Methoden der Präsentation von Kunst kennen. Da hatten Vertreter_innen der internationalen Avantgarden und innovative Museumsleute bereits mit dem „Salon-Stil“ gebrochen und buchstäblich neue Räume für die moderne Kunst erschaffen.

Die frühen Kunstausstellungen im MOMA vertreten eine puristische Variante der neuen Ausstellungskunst. Sie setzte sich rasch durch und ist heute so selbstverständlich, dass man das Wesentliche daran leicht übersieht: The placement of paintings on neutral-colored walls at just below eye level and at relatively widely spaced intervals created a ‚field of vision’ ... that facilitated appreciation of the singular artwork. These changes let the paintings ‚stand on their own’ ...  

Kunstwerke werden nicht mehr als dekorative Elemente behandelt und einem übermächtigen Raum untergeordnet. Sie bekommen die Bedeutung und den Stellenwert, die ihnen die Ausstellung verleiht; und: über die Ästhetisierung des Einzelobjektes wird die Ausstellung zum ästhetischen Medium.

Die neue Art des Ausstellens bietet zugleich auch eine neue Erfahrung für die Besucher_innen: it produces a powerful and continually repeated social experience that enhances the viewer’s sense of autonomy and independence. Die Ausstellung entwirft ihre Besucher_innen und bezieht sie als Akteure ein. Damit bekommt auch der Raum eine neue Qualität. Er ist das Produkt einer dynamischen Interaktion zwischen den Besucher_innen und Exponaten und wird nicht mehr als etwas Statisches vorausgesetzt.

Wichtig ist die Tatsache, dass mit der neuen Art des Ausstellens auch die Texte (didactic labels) eine entscheidende Funktion bekommen: Even the wall labels, however historical, served as documents to underscoring the aesthetic validity of an ehibited work. Texte dienen nicht mehr bloß dazu, ein Kunstwerk zu identifizieren, sie erzeugen und erschließen den Zusammenhang, in dem sie gezeigt werden.

Die Texte waren ein besonderes Anliegen Barrs und wurden geradezu zum Kennzeichen seiner Ausstellungstechnik: These Alfred Barr exhibitions ... were compositions in which wall labels explicitely linked the works of art historically and conceptually, making visible the unity and coherence of the show. Barr’s labels enhanced the sense of the exhibition as an entity unto itself.

Wirklich interessant und folgenreich wurde die Praxis durch die Kombination von zeitgenössischer mit anderen Kunstformen. Leute wie Alfred H. Barr oder einer seiner Nachfolger, der aus Wien stammende René d’Harnoncourt, haben die Methode im MOMA auch auf indigene Kunst angewandt und diese mit moderner Kunst kombiniert. Von dort war der Weg nicht mehr weit zu den anthropologischen Ausstellungen im Museum of Natural History, in denen prähistorische Artefakte zu Kunstwerken stilisiert wurden. Auch das ist heute selbstverständliche Praxis geworden.

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