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Die Sache mit den Texten

Avatar of Michael Huter Michael Huter - 01. Dezember 2016 - Allgemein

Ich habe noch kaum jemanden getroffen, die oder der die Texte einer Ausstellung gelobt, kritisiert oder überhaupt erwähnt hat. Texte sind eine Art Mittelding aus Selbstverständlichkeit und notwendigem Übel, an das niemand besondere Ansprüche stellt. Das ist dabei auch das Problem.

Besucher, Macher, Kritiker – jeder weiß, Ausstellungen sind Inszenierungen. Das Museum ist, wie das Theater, eine – Institution des Schauens. Texte sind da bloß Nebensache. Dazu kommt, sie sind auch nicht besonders beliebt, und zwar bei den verschiedenen Gruppen und aus unterschiedlichen Gründen. Alle haben damit anscheinend irgendein ein Problem.

Die Museumsgestalter, also jene Leute, die für die Inszenierung der Exponate verantwortlich sind, mögen Texte nicht besonders. Gestalter wollen und müssen Dinge zeigen, deren Aura bewahren und womöglich steigern. Sie sollen die Besucher_innen verführen, überwältigen, in Staunen versetzen und in eine dreidimensionale „Geschichte“ verwickeln. Texte stören hier nur. Sie verstellen die Dinge und schmälern die Wirkung.  „Wir Museumsgestalter sind Texthasser“ habe ich einmal einen prominenten Vertreter der Branche in der Öffentlichkeit sagen hören.

Texte sind wichtig, machen aber viel Arbeit. So kann man – in Anlehnung an Karl Valentin – das Textproblem der Kurator_innen zusammenfassen. Für sie ist die Textarbeit eine Pflichtübung, weil sie eine Botschaft haben und sichergehen wollen, dass die bei den Besucher_innen auch ankommt. In der Praxis werden die Texte aber stiefmütterlich behandelt und häufig in letzter Minute produziert. Die Basis für die Texte sind entweder eigene oder andere bereits vorliegende, meist eher wissenschaftliche Texte und – weil sie bei der kuratorischen Arbeit abfallen – sozusagen Abfallprodukte. 

Nicht nur das Herstellen, sondern auch die Aufnahme von Texten ist mit Anstrengung verbunden (wie ja unter Umständen der Museumsbesuch insgesamt). Besucher_innen wollen etwas erleben, die Aura von Originalen spüren und sich nicht zuletzt dabei unterhalten und zerstreuen. Sie wollen schauen und staunen. Lesen und Lernen sind aber Arbeit und nicht gerade das, was die meisten mit der Vorstellung von „Erlebnis“ verbinden.

Niemand würde behaupten, dass die Texte in Ausstellungen eine Hauptsache sind. Das heißt aber natürlich nicht, dass sie nebensächlich sind, im Gegenteil. Ausstellungen sind nämlich grundsätzlich rhetorische Veranstaltungen. Das Publikum soll zustimmen, dass das, worum es geht, interessant ist und dass es sich lohnt, mehr davon zu erfahren. Dabei sind Texte sind ein unverzichtbares Mittel, ohne das der Sinn der Veranstaltung nicht zu vermitteln wäre.

Beim Schreiben von Ausstellungstexten gilt Verständlichkeit als oberstes und vielfach als einziges Gebot. Verständlichkeit ist aber es ist nicht alles. Aus gut gemeinter Leserfreundlichkeit wird leicht übersehen, dass eine Stilistik der reinen Sachlichkeit die Besucher_innen so behandelt, als wären sie gar nicht anwesend. Sie sind aber hier im Raum und wollen angesprochen werden. Ich plädiere deswegen für Texte die leserfreundlich, anspruchsvoll, interessant und überzeugend sind. Texte können mehr, als nur Wissen zu vermitteln, und Texte müssen mehr sein als nur verständlich. Und Texte dürfen sogar Freude machen.

Michael Huter

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